Entwurf einer Stellungnahme des Integrationsbeirates der Stadt Regensburg zum „Bayerischen Integrationsgesetz“

(Stand vom 23.02.2016)

Der Integrationsbeirat der Stadt Regensburg (IBR) begrüßt, angesichts der zunehmenden Bedeutung der Thematik und der aktuellen Herausforderungen, den Versuch, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Integration vorzulegen. Allerdings steht der Integrationsbeirat der Stadt Regensburg den von der Bayerischen Staatsregierung vorgelegten Entwurf „Bayerisches Integrationsgesetz“ kritisch gegenüber.

Das Bayerisches Integrationsgesetz soll, der Ankündigung nach, dem doppelten Ansatz des Förderns und Forderns folgen, in der Wirklichkeit aber liegt der Schwerpunkt fast ausschließlich beim Fordern. Nicht zuletzt hat der Entwurf eine repressive Ausrichtung.

Der Gesetzentwurf ist außerdem von einer einseitigen Vorstellung von Integration geprägt. Hier wird Integration nicht als beidseitiger Prozess anerkannt, der gleichzeitig die MigrantInnen und die aufnehmende Gesellschaft betrifft. Die Verantwortung der aufnehmenden Gesellschaft wird im Text vollkommen ausgeblendet. Paradigmatisch dafür ist das Fehlen von Maßnahmen für eine aktive Gleichstellungspolitik und die nachhaltige Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Ferner ist der Text von problematischen Vorstellungen einer homogenen, stabilen und unveränderbaren bayerischen Kultur inspiriert, in welche die Neuankömmlinge sich einzufügen haben. Mit der Realität einer modernen Gesellschaft hat das wenig zu tun.

  1. Zum Begriff der “Leitkultur”
    Alle werden auf die bayerische Leitkultur verpflichtet (Präambel; Art. 1), jedoch bleibt diese im Gesetzentwurf undefiniert. Das lässt viel Spielraum zur willkürlichen Auslegungen, denn wer definiert was Leitkultur ist? Nach Einschätzung des Integrationsbeirates der Stadt Regensburg sind die Erfolgschancen eines Gesetzes, das zum großen Teil auf der Basis eines Begriffes konstruiert ist (Art. 1), der nicht konkret dargestellt wird, eher gering.
    Außerdem ist der Begriff „Leitkultur“ ein umstrittener politischer Begriff und daher nicht geeignet für einen Text dieser Art.
    Dennoch werden Kindergärten oder Schulen und sogar die Medien auf die Leitkultur verpflichtet (Art. 6, Art. 7, Begründung S. 22, Art.10). Auch im Art. 6 („Frühkindliche Bildung“) wird eine vermutlich vorhandene christlich-abendländische Kultur verordnet. Dies stellt einen Eingriff in die Erziehung und Verstoß gegen die Werten der Religionsfreiheit und des interreligiösen Dialoges dar.
  2. Unklare Zielgruppe (Art. 2):
    Es bleibt unklar, wer genau die Zielgruppe des Gesetzes bzw wer integrationsbedürftig ist. Unter diese Kategorie würden dann auch Deutsche mit Migrationshintergrund fallen und nicht nachweisen können, die deutsche Sprache auf einem ausreichenden Niveau zu beherrschen, nicht aber “priviligierte Ausländer” wie die EU-Bürger/-innen, unabhängig davon, welches Sprachniveau sie aufweisen.
  3. Deutsche Sprache (Art. 4)
    Positiv zu bewerten ist die im Entwurf vorhandene Festlegung, dass Deutschkenntnisse sehr wichtig für die Teilhabe am öffentlichen Leben und Arbeiten sind.
    Die Androhung von Strafen (Kosten der Maßnahmen zur Sprachförderung und Dolmetscherleistungen) nach dem nicht Erreichen eines bestimmten Sprachniveaus sollte allerdings vermieden werden, wenn, wie nicht selten der Fall ist, die dafür notwendige Infrastruktur (Deutschkurse, Alphabetisierungskurse…) unzureichend vorhanden ist. Letzteres wird dadurch erschwert, dass diese Integrationsmaßnahmen unter Haushaltsvorbehalt gestellt werden und sie nicht einklagbar sind.
    Wir sind der Meinung, dass zur Förderung der sprachlichen Integration nicht nur das Erlernen der deutschen Sprache gehört, sondern auch die Förderung der Mehrsprachigkeit und der zweisprachigen Erziehung.
  4. Teilweise Abschaffung der allgemeinen Schulpflicht für die Kinder in Asylunterkünften
    Der Entwurf orientiert sich an dem Grundsatz “Schulrecht folgt dem Asylrecht”, was zur Folge hat, dass die Kinder in Asylunterkünften oder in sogenannten Abschiebezentren von jeder Verschlechterung im Asylrecht betroffen sind und sogar von der Schulpflicht ausgeschlossen werden können. Das kommt einer teilweisen Abschaffung der Schulpflicht für große Teile der betroffenen Kinder gleich (Art. 17a/Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Art. 35, Abs. 2; Begründung Art. 17a, Abs. 5 BayEuG, Abs. 2).
  5. Wohnung/Unterbringung (Art.11): Ausgewogene räumliche Verteilung im Freistaat Bayern
    Die Tatsache, dass selbst anerkannten Asylberechtigten der Wohnort von Behördenseite willkürlich vorgeschrieben werden kann, und zwar ohne Rücksicht auf persönliche Bedürfnisse, schätzt der Integrationsbeirat als kontraproduktiv ein. Um die Entstehung von Parallelgesellschaften und die Bildung von Gettos zu vermeiden, gibt es sicherlich bessere Wege als einer Wohnsitzauflage ohne Rücksicht auf persönliche Bedürfnisse.

Aus allen oben genannten Gründen schließen wir uns als Integrationsbeirat der Stadt Regensburg den anderen Organisationen und Vereinen an, die den Entwurf der bayerischen Staatsregierung durch eigene Stellungsnahmen kritisiert haben. Wir wünschen uns, dass die Bayerische Staatsregierung unsere Kritikpunkte berücksichtigt und den Text des Integrationsgesetzes im Sinne eines fachlich fundierten Verständnisses von Integration überarbeitet.

Wünschenswert wäre ebenfalls eine größere Miteinbeziehung der Migrantenorganisationen und weitere Akteuren der Zivilgesellschaft seitens der Bayerischen Staatsregierung, denn die gesetzliche Regelung eines so wichtigen Themas bedarf eines grundlegenden gesellschaftlichen Konsens.

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