Grüne Haushaltsrede 2021

Die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Stefan Christoph im Wortlaut:

Frau Oberbürgermeisterin,

liebe Kolleg*innen,

liebe Regensburger*innen,

uns liegt heute zum Beschluss im Stadtrat das größte Investitionsprogramm vor, das die Stadt Regensburg jemals aufgestellt hat. 763 Millionen plant die Koalition also in den nächsten fünf Jahren auszugeben.

Gleichzeitig liegt vor uns einer der uninspiriertesten Vorschläge, was man mit so viel Geld alles anfangen könnte. Auf über viereinhalbtausend Seiten wäre viel Platz, ein Zukunftsprogramm für diese Stadt zu gestalten. Dort wäre viel Platz, Geld für umweltfreundliche Mobilität, für Energieeinsparungen und den Ausbau Erneuerbarer Energien oder für die Zukunft der allerjüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft einzuplanen. Was wir stattdessen vor uns liegen haben, ist der Plan der grauen Koalition, die Verkehrswende und andere wichtige Themen Seite für Seite, fast viereinhalbtausend Seiten lang, zu beerdigen.

Gespart wird an den Stellen, an denen es am allerwenigsten angebracht ist: Der Umwelthaushalt im Investitionsprogramm soll um immerhin 6,4 Prozent gekürzt werden. Und das, obwohl die Stadtspitze sich vor wenigen Wochen noch hingestellt und stolz einen „Green New Deal“ für Regensburg vorgestellt hat. Ohne Geld und konkrete Maßnahmen bleibt dieser New Deal nur ein Papiertiger, bei dem grün höchstens der Name, nicht aber der Inhalt ist. Getoppt wird diese Kürzungsorgie nur durch den Jugendhilfehaushalt: Sage und schreibe 12,7 Prozent sinkt dieses Investitionsprogramm gegenüber dem Vorjahr. Dabei haben während der letzten Monate alle immer wieder betont, wie wichtig die Teilhabe der Kinder in unserer Gesellschaft ist und dass daran nicht gespart werden darf. Dabei haben wir doch alle während der letzten Monate gemerkt, wie wichtig es auch ist, unsere Demokratie zu stärken. Das alles wären Maßnahmen, die sich in der Jugendhilfe abbilden.

Demgegenüber stehen gigantische Ausgaben für Straßenverkehrsprojekte und für einige Lieblingsprojekte der einzelnen Koalitionsparteien. Meine Damen und Herren, dieser vorgelegte Haushalt hat eine gewaltige Unwucht, wenn in den wichtigen Zukunftsbereichen wie Umwelt, wie der Verkehrswende oder der Jugendhilfe gespart wird.

Aber: Wenn wichtige Zukunftsprojekte für die Stadt Regensburg mit diesem Investitionsprogramm beerdigt werden, warum ist das Investitionsvolumen im Haushalt trotzdem so hoch, werden Sie sich fragen? Die Erklärung ist ganz einfach: Diese graue Koalition hat keinen, aber wirklich gar keinen Plan dafür, wie unsere Stadt in Zukunft aussehen soll.

Die graue Koalition kann sich ganz offensichtlich auf keine programmatische Linie im Haushalt einigen. Deswegen ist das Investitionsvolumen so hoch wie nie zuvor: Das was an gemeinsamem Nenner beim Inhaltlichen fehlt, versucht die graue Koalition einfach mit Geld zu kitten. Da bekommt dieser Stadtrat mal jenes Lieblingsprojekt hier und jene Stadtratsfraktion mal dieses öffentlichkeitswirksame Geschenk da. Dort, wo man sich nicht einig werden kann, wird einfach alles in den Plan geschrieben. Damit werden die Entscheidungen einfach in die Zukunft vertagt, nämlich auf den Zeitpunkt, wo sie zur Realisierung anstehen und der Koalition klar werden wird, dass sie nicht alles gleichzeitig machen können. Im vollen Bewusstsein, dass niemals alles davon Realität werden wird. So, meine Damen und Herren, so sieht eine verantwortungsvolle, eine stabile, eine nachhaltige Finanzpolitik ganz sicher nicht aus!

Denn allen Beteiligten – und wenn Sie, liebe Kolleg*innen, in sich gehen auch ihnen – ist doch klar, dass wir ein solches Programm niemals werden abarbeiten können. Zumindest nicht, wenn wir die Planungskapazitäten der Stadtverwaltung nicht um ein Vielfaches erhöhen. Schon in den vergangenen Jahren haben sich immer wieder riesige Haushaltsreste angesammelt. Wir wissen alle, dass wir mehr als 100 Millionen Euro an Investitionen pro Jahr nicht werden abarbeiten können. Zur Haushaltsklarheit auf der einen Seite, aber auch zu einer verantwortungsvollen Politik auf der anderen Seite, würde es gehören, das auch so zu kommunizieren – und sich auf ein Programm zu verständigen, das für die Stadt auch leistbar ist. Aber in dieser Hinsicht versagt die graue Koalition leider kläglich.

Die selbe graue Koalition hat einen Koalitionsvertrag vorgelegt, der viele wichtige Impulse und Projekte für diese Stadt benennt. Leider ist dieser Koalitionsvertrag aber das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist – oder den LED-Bildschirm, auf dem er angezeigt wird. Die Koalitionär*innen lassen nämlich keinen Willen erkennen, den Geist dieses Vertrags auch nur irgendwie Realität werden zu lassen. Weder mit Maßnahmenbeschlüssen im Stadtrat, noch mit vorliegendem Haushaltsentwurf, wird man den wichtigen Zielen, die darin verankert sind, auch nur ansatzweise gerecht.

Als erstes Beispiel möchte ich die Klimaneutralitätsziele ansprechen, die erst vor wenigen Wochen wieder bekräftigt wurden: So soll die Stadtverwaltung bis 2030 klimaneutral werden, städtische Töchter und die Gesamtstadt dann 2035. Dieses Ziel ist sehr begrüßenswert. Schließlich wissen wir, dass über zwei Drittel aller klimaschädlichen Emissionen in den Städten geschehen. Uns als Kommune kommt deswegen eine ganz besondere Verantwortung in der Bewältigung der Klimakrise zu. Dass wir in Regensburg nicht die Welt retten können, wie wir auch schon von Stadtratskollegen gehört haben; genau das stimmt vor diesem Hintergrund eben nicht. Wir können der Klimakrise nur dann Herr werden, wenn wir in Regensburg – und in allen anderen Kommunen – wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz voranbringen.

Aber im Umwelt-Investitionsprogramm lesen wir davon überhaupt nichts. Nein, der Bereich wird – wie ich vorhin schon erwähnt habe – sogar zusammengekürzt. Ganz offensichtlich wurde der Umweltteil des Haushalts mit dem Rotstift geschrieben, denn er strotzt vor Kürzungen, Streichungen und Verschiebungen. Dabei wären Maßnahmen für die Klimaresilienz und das Mikroklima der Stadt so wichtig, wenn schon kaum Gelder für den Klimaschutz hinterlegt sind. Was wir aber sehen: Parksanierungen wie im Karl-Bauer-Park – ganz zentral für Kumpfmühl – werden gestrichen, der Hegenauer-Park wird in die ferne Zukunft verschoben. Die Gelder für Ökokontoflächen drastisch zusammengestrichen. Von neuen Projekten für den Klimaschutz brauchen wir gar nicht sprechen – solche kommen im Umwelthaushalt überhaupt nicht vor.

Aber auch an anderer Stelle wäre noch viel zu tun, wenn wir wirklich bis 2035 klimaneutral werden wollen. Und, das betone ich an dieser Stelle auch, wir müssen auch klimaneutral werden, wenn wir eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen. Zentral ist dabei der Bereich der Energieerzeugung. Hier werden über 80 Prozent aller Treibhausgasemissionen in Regensburg erzeugt. Sie sehen: Wir brauchen dringend eine Klimaneutralitätsstrategie für den Energiebereich. Dabei kann es nicht genug sein, rechnerisch klimaneutralen Strom zuzukaufen. Wir müssen viel mehr in die saubere Stromerzeugung investieren und auch Privaten ermöglichen und sie ermuntern, das zu tun. Beispielsweise indem wir Bürger*innen an erneuerbaren Energie-Projekten der REWAG teilhaben lassen. Unser Ziel kann es am Ende nämlich nicht sein, einfach fossil erzeugten Strom auf Dauer durch Klimazertifikate sauber zu waschen. Hier steht eine ganz gewaltige Aufgabe vor uns. Und dabei dürfen wir den Bereich der Wärmeerzeugung nicht ausklammern. Auch hier brauchen wir eine klare Strategie, wie und bis wann wir aus der fossilen Wärmeerzeugung aussteigen können. Dass wir in diesem Jahr mit der Erhöhung der erlaubten Thesaurierung bei der REWAG einen wichtigen Schritt zur Finanzierung sauberer Energie in Regensburg getan haben, ist lobenswert. Aber wir müssen auch so ehrlich sein und sagen, dass diese paar Millionen Euro pro Jahr noch lange nicht reichen werden.

Fast genauso wichtig für die Entwicklung unserer Stadt wird die Verkehrswende sein. Nicht nur, weil die Emissionen des Straßenverkehrs einen ganz großen Faktor unserer Klimabilanz ausmachen. Nein, auch deswegen, weil wir mit einem Weiter-so auf Dauer keine Mobilität in der Stadt mehr garantieren werden können. Schon jetzt stößt unser Straßennetz gerade im Berufsverkehr an seine Grenzen. Wenn wir betrachten, dass unsere Stadt auch in den nächsten Jahren weiter wachsen wird, kann das auf Dauer nicht gut gehen: Alternativen, die gleichzeitig klimafreundlich und bequem sind, müssen her. Leider sehen wir genau das Gegenteil: Die graue Koalition beerdigt jedes wichtige Verkehrswendeprojekt der letzten Jahre Scheibchen um Scheibchen. Dabei hoffen sie natürlich, dass das niemandem auffällt, wenn es nach und nach passiert. Aber wer genau hinschaut, für den ist es doch ganz offensichtlich: Im letzten Jahr wurde erst der Holzgartensteg gekippt, der eine ganz wichtige Achse für den Fahrradverkehr aus dem Stadtnorden Richtung Süden gewesen wäre. Dieses Jahr durfte das Fahrradverleihsystem dran glauben. Vorgeschobenes Argument war der Sparzwang. Doch von diesem Sparzwang merkt man seltsamerweise nur etwas bei Klima- und Verkehrswendeprojekten, nicht aber bei den Lieblingsprojekten der Koalitionär*innen. Wir sehen in anderen Städten, wie gut Fahrradverleihsysteme laufen können. Nürnberg und Augsburg haben ihr System erst vor Kurzem weiter aufgestockt. Doch wider aller Erkenntnisse und Erfahrungen leugnet die graue Koalition, allen voran die CSU, den Nutzen dieses wichtigen Projekts, das gerade viele Pendler*innen und Gelegenheitsradfahrer*innen hätte mitnehmen können. Und während wir hier reden, sägt die CSU weiter an der Verkehrswende in dieser Stadt: Neuer Gegner ist die Stadtbahn. In der Stadt werden fadenscheinige Gegenargumente gestreut. Neuerdings veranstaltet die CSU überall entlang der Stadtbahntrasse überall Begehungen in der Hoffnung, dort Stimmen gegen die Verkehrswende in Regensburg zu sammeln. Und das, obwohl bisher alle Maßnahmen für die Stadtbahn hier einstimmig, also auch mit den Stimmen der CSU, beschlossen wurden. Dabei ist die Stadtbahn eines der wichtigsten Projekte, wenn wir dem Dauerstau auf Regensburgs Straßen Herr werden wollen. Sie bringt Menschen, schnell, bequem und umweltfreundlich von A nach B. Und natürlich muss die Stadtbahn auf absehbare Zeit auch ins Umland ausgebaut werden, das ist doch gar keine Frage. Liebe Kolleg*innen von der CSU, hören Sie bitte damit auf, der Zukunft dieser Stadt und der ganzen Region Steine in den Weg zu legen!

Aber auch abseits von Stadtbahn und Fahrradverleihsystem stellt sich mir immer öfter die Frage, ob die CSU-Fraktion eigentlich Teil der grauen Koalition ist, oder ob sie es sich eigentlich in der Opposition gemütlich gemacht hat. Immer wieder bekommen wir Querschüsse von dieser Seite mit. Obwohl sie Teil der gestaltenden Mehrheit ist, bekommen nicht nur wir Grüne, die da sowieso außen vor sind; nein, obwohl die CSU Teil der grauen Koalition ist, bekommt auch die eigene Koalition und die Stadtverwaltung von den Ideen und Querschüssen der Fraktion immer öfter nur per Presse mit. Sei es ein Alkoholverbot für das ganze Stadtgebiet oder jüngst die Idee für Corona-Tests in Christkindlmarktbuden, die einen Tag später von der eigenen CSU-Staatsregierung deutlich zurückgewiesen wurde. Oder sei es ein Fragebogen zum Corona-Impfzentrum, den die CSU-Fraktion öffentlichkeitswirksam an die Oberbürgermeisterin schickt – ganz so als wäre sie selbst nicht Teil der Koalition und könnte das auf einem anderen Weg klären. Es scheint so, als beherrsche die CSU-Fraktion die Aufmerksamkeitsökonomie besser als eine verantwortungsvolle Kommunalpolitik. Und es drängt sich dabei immer mehr die Frage auf, ob diese Regensburger CSU überhaupt regierungsfähig ist.

Nun aber genug zum aktuellen Zustand der Koalition. Es ist auch nicht alles schlecht in dieser Stadt. Ich möchte allen Mitarbeiter*innen der Verwaltung danken, die diesen Haushalt für uns übersichtlich zusammengestellt haben. Ich finde es schade um alle guten Ideen, auch aus der Stadtverwaltung, die leider unter die Räder gekommen sind. Unter die Räder gekommen, weil die Koalitionär*innen selbst keine Prioritäten setzen konnten und deswegen ihre eigenen Lieblingsprojekte vor andere sinnvolle Projekte gesetzt haben.

Denn wir haben auch viele Bereiche im städtischen Haushalt, die wir ausdrücklich begrüßen. So verwundert es kaum, dass der Kulturhaushalt 2022 auf unsere Zustimmung trifft. Mit dem Kultursommer 2021 haben wir als Stadt Regensburg wirklich vorgelegt. Und wir haben gesehen, dass die Menschen nach zweieinhalb Lockdowns ausgehungert waren und wieder Lust auf kulturelles und gesellschaftliches Leben hatten. Deswegen freuen wir uns über die Maßnahmen, die 2022 und darüber hinaus im Kulturhaushalt vorgesehen sind. Auch wenn der Aufschub der Velodrom-Sanierung für uns ein Wermutstropfen ist. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass trotz verschobener Sanierung, das kein neuer Leerstand über die nächsten 8 oder 9 Jahre am Arnulfsplatz wird. Im Sportbereich freuen wir uns insbesondere, dass mit dem neuen Hallenbad in der Guerickestraße jetzt nicht nur ein wichtiges Projekt für den Stadtosten, sondern für die gesamte Stadt verwirklicht wird. Auch wenn unsere Frage nach einem vierten Hallenbad im Stadtnorden vor Kurzem noch abgetan wurde: Ich denke, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie wir nicht nur die Hallenbadkapazitäten in der Stadt ausbauen können, sondern auch, dass es notwendig wäre, eine solche Infrastruktur auch im Stadtnorden auszubauen. Nicht zuletzt möchte ich die Erhöhungen im Bildungs-Investitionsprogramm positiv hervorheben. Leider muss man auch sagen: es ist an der Zeit. Regensburgs Schulen haben einen enormen Sanierungsstau. Hier sehen wir einen großen Handlungsbedarf, der uns leider auch noch in den nächsten Jahren verfolgen wird.

Meine Damen und Herren,

wir sehen diese guten Ansätze und möchten sie ausdrücklich unterstützen. Dennoch werden wir insbesondere der Haushaltssatzung und dem Investitionsprogramm, das uns vorgelegt wurde, nicht zustimmen können. Es enthält eine riesige Unwucht. Mit seinen Kürzungen bei Umwelt, Verkehrswende und Jugendschutz kann es unsere Stadt nicht in die Zukunft führen. Gleichzeitig halten wir das Volumen des vorgelegten Investitionsprogramms mit seinen 763 Millionen Euro für zutiefst unseriös. Ich denke durchaus, in Krisenzeiten muss die öffentliche Hand zu Investitionen greifen – egal ob wir nun von der Corona-Pandemie oder der Klimaüberhitzung sprechen. Allerdings können wir dieses Geld nicht wahllos mit der Gießkanne unter den Koalitionsparteien verteilen, dort ist das Geld ganz offensichtlich falsch angelegt. Die Investitionen müssten der Zukunftssicherung unserer Stadt dienen – und damit Themen wie Klimaschutz, Energiewende, umweltfreundlicher Mobilität, Biodiversität, Stadtteilförderung, Jugendarbeit oder Demokratieförderung. Nichts davon sehen wir in dem Zahlenwerk, das uns vorliegt realisiert. In diesen wichtigen Zukunftsfragen nicht nur für Regensburg, sondern für die ganze Region, ist die graue Stadtratskoalition leider grandios durchgefallen. Deshalb müssen wir unsere Zustimmung hier verweigern. Vielen Dank!

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