Grüne Haushaltsrede 2022

Die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Maria Simon im Wortlaut, gehalten bei der Stadtratssitzung am 24. Januar 2023:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Freudenstein,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Artinger,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Regensburgerinnen und Regensburger,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in der Zukunft geschieht“,
sagt der Philosoph Sir Karl Popper (1902 – 1994).

Unter dieses Motto möchte ich meine diesjährige Rede zum Haushalt stellen. Denn mit der Entscheidung, wofür wir heute Geld ausgeben, legen wir fest, wie das Morgen in Regensburg aussehen wird. Es sind Einnahmen aus der Gewerbe- und der Einkommenssteuer, mit denen geplant wird. Geld also, das die Regensburger Bürger*innen erarbeitet haben.

Die Gewerbesteuereinnahmen sind im vergangenen Jahr mit 256 Millionen Euro höher ausgefallen als erwartet, und immer noch sehr hoch, wenn man die Einmaleffekte in Höhe von 37 Millionen Euro abzieht. Von einem Rekordniveau ist die Rede.

Die graue Koalition hat wieder ein überdimensioniertes Paket geschnürt, von dem jetzt schon abzusehen ist, dass es nicht abgearbeitet werden kann. Erfahrungsgemäß können etwa 500 Mio. abgearbeitet werden. Das Investitionsprogramm für die Jahre 2022 bis 2026 umfasst 846 Mio. Euro. Darin enthalten sind nach der neuen Regelung Index- und Risikokosten in Höhe von 128,6 Mio. Euro. Zieht man diese ab, bleiben immer noch 717,4 Mio. Euro. Das ist sehr viel Geld. Und es ist an uns, die Zukunft von Regensburg damit zu gestalten. Dazu braucht es eine klare Vision, eine Vorstellung davon, wie Regensburg sich entwickeln soll und mutige Entscheidungen, diese umzusetzen.

Doch wie schon im letzten Jahr bildet der Haushalt wenig davon ab.

Entscheidungen werden vertagt. Für viele Projekte werden zwar die Planungsmittel eingestellt, Entscheidungen werden nicht getroffen aus mangelnder Einigkeit innerhalb der Koalition. Doch die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, bleibt. Die Lebensqualität für die Regensburger*innen zu erhalten und voranzubringen, das muss das Ziel sein. Es muss darin investiert werden, was unsere Stadt für alle Regensburger Bürger*innen lebenswert macht und voranbringt. Und da hilft es nicht, Entscheidungen auf die nächsten Jahre abzuwälzen. Das ist kein verantwortliches Handeln für die Stadt.

Die Ausrichtung des Haushalts gibt den Zustand der Koalition gut wieder: Es gibt weder gemeinsame Ideen noch Lösungen für anstehende Probleme und keine klare Richtung. Was wir in Regensburg sehen, ist eine Koalition, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Es geht nichts voran in der Stadt, wenn man Opposition in der eigenen Stadtregierung spielt. Verantwortung sieht anders aus.

Bildung

Ein großes Zukunftsprojekt für unsere Stadt ist der Bereich Bildung. Erfreulich ist, dass Bildung mit knapp 152 Mio. Euro einer der größten Posten ist. Hier gibt es auch viel aufzuarbeiten, was schon vor 2014 zurückliegend versäumt wurde. Und es ist besonders wichtig, richtig zu investieren. Jeder Neubau und jede Sanierung muss auch dazu beitragen, dass die Stadt die Klimaziele erfüllen kann. Im zurückliegenden Jahr ist der längst überfällige Beschluss zur Sanierung der Realschule am Judenstein gefallen, der Bau der Schule am Sallerner Berg wurde beschlossen.

Und entsprechend findet der Haushalt des Bildungsausschusses auch unsere Zustimmung. Der Sanierungsbedarf ist eine Herausforderung für die nächsten Jahre. Es gibt viele Schulen in Regensburg, die großen Modernisierungs- und Sanierungsbedarf haben. Und wir brauchen qualifiziertes Personal an den Schulen, die die Kinder im Alltag fördern und unterstützen. Gerade in der jetzigen Zeit ist gute pädagogische Arbeit und Begleitung umso wichtiger. Umso schwerer wiegt der Beschluss der Sozialbürgermeisterin, Pädagogin*en aus dem Bereich der Jugendsozialarbeit an Schulen abzuziehen, die hier nötiger denn je gebraucht werden. Unverständlich für uns Grüne, dass der Zusammenhang nicht erkannt wurde.

Für unsere Schüler*innen und Kinder müssen nicht nur die bestmöglichen Voraussetzungen geschaffen werden, um zu lernen, sondern auch gute Lebensgrundlagen. Und deswegen heißt es, Umwelt und Klima schützen für die jetzigen und die zukünftigen Generationen.

Klima und Umwelt

Die Stadt Regensburg hat sich das Ziel gesetzt, eine klimaneutrale Verwaltung bis 2030, eine klimaneutrale Gesamtstadt bis 2035 zu erreichen. Die Bewältigung der Klimakrise ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Sie duldet keinen Aufschub mehr, deshalb muss alles getan werden, um zügig diese Ziele zu erreichen. Die Kommunen spielen bei der Umsetzung der Energiewende eine entscheidende Rolle. Aber gibt es hier ein ernsthaftes Bemühen der Stadtspitze? Wir meinen Nein! Denn es spiegelt sich nicht im Haushalt wider.

Ein paar erfreuliche Dinge gibt es. So läuft zum Beispiel die Abwärme-Nutzung durch das Neubaugebiet in Barbing gemeinsam mit der Rewag gut. Nach diesem Vorbild muss weitergemacht werden.

Für die Gesamtstadt braucht es ein Wärme- und Energiekonzept. Ziel für die Stadt muss es sein, sich von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Die städtischen Gebäude müssen energetisch saniert und mit PV auf den Dächern ausgestattet werden. Bald ist Halbzeit der Stadtratsperiode und nicht ein Gebäude ist saniert, geschweige denn ein Maßnahmenplan in Sicht. Bis jetzt hat der Stadtrat nicht mal Kenntnis darüber, welche städtischen Liegenschaften die größten Energiefresser sind. In diesen zentralen Aufgaben für die Stadt, als auch für die Rewag geht kaum was voran.

Potenzial liegen in der Nutzung von Abwasserwärme oder im Zusammenschluss mit dem Landkreis, um Windkraftanlagen zu realisieren. Solche Projekte kosten viel Geld. Auch hierfür gibt es Lösungen. So hat unser Finanzreferent Barfuß im vergangenen Sommer, als der Städtetag (1) bei uns in Regensburg zu Besuch war, Green Bonds als Finanzierungskonzept vorgestellt. Die durch Green Bonds finanzierten rentierlichen Projekte, dürften nicht als Verschuldung betrachtet werden. Die Stadt Münster hat Green Bonds, also spezielle Anleihen, eingeführt und somit Kapital für Investitionen in Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Verfügung. Nebenbei, die Transformation bringt auch Kosteneinsparungen mit sich.

Im Übrigen hat der Städtetag auch die Forderung an Bund und Land erhoben, Klimaschutz und Klimaanpassung zu kommunalen Pflichtaufgaben zu erklären und entsprechend mit staatlichen Mitteln auszustatten. Umgehend hat Ministerpräsident Markus Söder dem eine Absage erteilt.

Eine weitere Idee möchte ich nennen:

Durch Bürger-Energieprojekte, durch eine Bürgeraktie z. B. bei einer zu gründenden städtischen Tochter für erneuerbare Energie, gäbe es Möglichkeiten, die Regensburger*innen mit einzubeziehen, um Regensburg klimaneutral zu gestalten. Den Rahmen kann die Stadt dafür schaffen. Hier sind Sie gefragt. Das ist Ihr Part, Herr Bürgermeister Artinger. Es gilt zu gestalten, nicht nur zu verwalten.

Leider sehen wir im Umwelt-Investitionsprogramm davon nichts.

Verkehrswende

Beim Thema Verkehr und der Umsetzung der Verkehrswende zeichnet sich dasselbe Muster ab. 2018 haben wir einen einstimmigen Beschluss für eine Stadtbahn in Regensburg gefasst. Grundlage war das Gutachten von komobile. Verschiedene Mobilitätsformen wurden untersucht: Ob ein BRT-System (2), ein Ausbau des bestehenden Bussystems, sogar die Möglichkeit einer Seilbahn wurde in Betracht gezogen. Am Ende waren das Ergebnis und der Beschluss eindeutig: Ich zitiere: „Auf Basis der durchgeführten Untersuchung wird die Aufnahme der Planung zur Einführung einer Stadt- bzw. Straßenbahn beschlossen.“

Jetzt will auch ein ehemaliger Oberbürgermeister nichts mehr davon wissen, einen Koalitionsvertrag unterschrieben zu haben, mit der Aussage (3), die Stadtbahn nach positiver Prüfung zügig zu planen und, soweit möglich, schrittweise umzusetzen.

Und auch die CSU-Fraktion, als mittlerweile größte Oppositionsfraktion im Stadtrat in dieser Sache, will nichts mehr von den Beschlüssen wissen.

Das ist keine verlässliche Politik, die die Regensburger Bürger*innen erwarten dürfen. Kolleginnen und Kollegen der CSU: Es gehört auch zu Ihren Aufgaben, den Bürger*innen zu erklären, was das Projekt Stadtbahn für die Stadt, für die städtebauliche Entwicklung insgesamt und für die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen bedeutet. Selbstverständlich gibt es bei einem Projekt dieser Größenordnung Probleme. Auch andere Städte haben Lösungen im Zusammenwirken mit den Bürger*innen gefunden. Und das werden wir auch.

Und hierbei geht es um das Gemeinwohl und nicht um Einzelinteressen. Und das ist sicherlich die größte Herausforderung: der Stadtrat muss die beste Lösung für die Gesamtheit suchen, für den einen oder die andere mag es nicht der beste Weg sein. Nicht allen individuellen Wünschen kann entsprochen werden.

Sich wie ein Fähnchen im Wind zu verhalten, sobald mal Kritik an den einstimmig gefassten Beschlüssen geäußert wird, ist keine Haltung.

Für die Weiterentwicklung der Stadt ist die Stadtbahn unabdingbar und von enormer Bedeutung. Nicht umsonst vergleicht die MZ das Projekt mit dem Bau des Domes. Die Stadtbahn ist ein attraktives, leistungsstarkes, umweltfreundliches, barrierefreies Angebot und wird die Menschen zum Umsteigen bewegen. Beispiele aus anderen Städten gibt es zur Genüge, wo dies passiert ist.

Die Stadtbahn wird unsere Stadt lebenswerter machen. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie, Frau Oberbürgermeisterin, dies in Ihren Statements immer wieder betonen und klar zur Entscheidung Stadtbahn stehen.

Denn wie, wenn nicht durch ein attraktives und modernes ÖPNV-System soll die Verkehrswende in Regensburg gelingen? Durch Geld im Haushalt für den Bau weiterer Parkhäuser, wie es am Unteren Wöhrd geschieht? Durch den kreuzungsfreien Ausbau der DEZ-Kreuzung? Wir Grüne sagen Nein dazu.

Der Regensburger Stadtrat hat erst jüngst den Stadtentwicklungsplan 2040 beschlossen. Dort ist als Ziel zu lesen: „Bis zum Jahr 2040 wird der Modal Split, … zugunsten des Umweltverbunds gesteigert: Von derzeit 59 Prozent … um mindestens 11 Prozentpunkte auf 70 Prozent.“ (Seite 57). 30 % soll auf den Radverkehr entfallen und der ÖPNV und Fußverkehr machen 40 % aus. Halten wir uns an die Beschlüsse. Setzen wir sie um!

Personalpolitik

Um all diese Ziele bearbeiten zu können, braucht es in der Stadtverwaltung gutes Personal. Wir haben gutes Personal. Natürlich ist es wichtig, Aufgabenbereiche und verwaltungsinterne Prozesse genauer unter die Lupe zu nehmen. Wo laufen Dinge gut, wo laufen sie nicht so gut. Und entsprechend müssen Arbeitsprozesse angepasst und weiterentwickelt werden. Was wir nicht machen dürfen, ist unsere Mitarbeiter*innen zu verunsichern. Ich wiederhole mich: Bis Ende 2030 werden 25% unserer Mitarbeiter*innen in den Ruhestand gehen. Und wie Sie alle wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es bereits jetzt schwierig, ausreichend Personal zu finden, z. B. Erzieherinnen, IT-Fachkräfte, Reinigungskräfte, Ingenieurinnen. Eine Deckelung oder eine Reduzierung der Mitarbeitenden, wie gefordert wird, ist das falsche Signal. Dann muss man auch so ehrlich sein und sagen, welcher Service wird gestrichen, welches Angebot kann nicht mehr erfüllt werden, welche Öffnungszeiten werden gekürzt, welche Bearbeitung wird länger dauern.

Vielmehr müssen die Anstrengungen verstärkt werden, gutes Personal zu finden, zu fördern und zu halten. Dazu gehört, die Fortbildungsbereitschaft zu fördern und die Weiterqualifizierung im eigenen Haus auszubauen, Wartezeiten zwischen den Weiterbildungsmöglichkeiten zu verkürzen und effektives, vernetztes Arbeiten in der Stadtverwaltung zu fördern. Am Ende sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die unsere Beschlüsse umsetzen. Gehen wir pfleglich mit ihnen und ihrer Arbeitskraft um. An dieser Stelle bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion sehr herzlich für die gute Arbeit, die Sie leisten!

Umso wichtiger ist es, eine klare Richtung vorzugeben. Im Haushalt sehen wir nun aber, dass bei vielen Projekten nun zunächst einmal geplant werden soll, ob es zu einer Realisierung kommt, ist nicht klar. Unsere Befürchtung ist, hier wird zu viel für den Papierkorb gearbeitet. Die Koalition wird damit ihrer Verantwortung gegenüber der Verwaltung nicht gerecht.

Ich fasse zusammen:

Schlaue Papier zu verfassen, ohne diese umzusetzen – was soll das? – schade um das Papier. Es braucht Schwerpunkte. Es braucht große Anstrengungen im Klima- und Umweltschutz und in der Verkehrswende. Es fehlt der Wille, die großen Aufgaben anzugehen, sie anzupacken. Das fehlt uns in diesem Haushaltspaket.

Deshalb lehnen wir den Haushalt 2023 und das Investitionsprogramm ab.

Wir Grüne bieten unsere Zusammenarbeit im Stadtrat an, mit allen demokratischen Stadträtinnen und Stadträten unserer Verantwortung gerecht zu werden für eine nachhaltige und gerechte Weiterentwicklung unserer Stadt.

Ich ende mit einem Zitat von Sir Karl Popper:

„Optimismus ist Pflicht. Man muss sich auf die Dinge konzentrieren, die gemacht werden sollen und für die man verantwortlich ist.“

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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(1) Nachzulesen in der Broschüre S. 24 vom Bayerischer Städtetag 2022
Vgl. https://www.bay-staedtetag.de/jahrestagungen/2022/downloads Tagungspapier
(2) Bus Rapid Transit ist ein qualitativ hochwertiges Busverkehrssystem
(3) Koalitionsvertrag 2014-2020: „Die Stadtbahn wird zuerst als Nord–Süd-Trasse im Zusammenhang mit Überlegungen zur Verbesserung des gesamten ÖPNV-Systems auf Wirtschaftlichkeit und Förderfähigkeit geprüft. Bei positivem Ergebnis wird die Planung zügig begonnen und, soweit möglich, schrittweise umgesetzt.“

Zum Anhören: https://youtu.be/sPy6WckkZFI

Zum Download:
https://gruene-stadtrat-regensburg.de/wp-content/uploads/2023/01/2022-Haushaltsrede-Maria-Simon.pdf

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