Zur Situation der Frauenhäuser

Im Bild: Maria Simon

von Maria Simon, Fraktionsvorsitzende der Grünen Stadtratsfraktion im Regensburger Stadtrat und Mitarbeiterin im Autonomen Frauenhaus von 2003 bis 2017

Dieser Artikel erschien am 16. März 2023 im GRIBS Mitgliederbrief.

„Jede Stunde werden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Alle zweieinhalb Tage stirbt eine Frau durch die Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners.“ schreibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im November 2021.

Gewalt gegen Frauen ist keine Randerscheinung, sie prägt den Alltag vieler Frauen in Deutschland und weltweit. Häufig findet sie im Verborgenen statt, in der Familie, der Partnerschaft oder im nahen sozialen Umfeld. Die Formen reichen von körperlicher, seelischer bis hin zu sexualisierter Gewalt.

Die erste repräsentative Studie über Gewalt an Frauen in Deutschland (1) wurde 2004 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis war, jede 4. Frau wird vom eigenen Partner misshandelt. Die Untersuchung machte das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Frauen in Deutschland sichtbar und zog zahlreiche politische und Praxisaktivitäten nach sich.

Am 1. Januar 2002 ist das „Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung“ in Kraft getreten. Das darin enthaltene Gewaltschutzgesetz schafft eine klare Rechtsgrundlage für Schutzanordnungen des Zivilgerichts. Diese umfassen insbesondere Kontakt-, Näherungs- und Belästigungsverbote.

Angebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder

Anlaufstellen sind Frauenhäuser, der Frauennotruf und Interventionsstellen.

Frauenhäuser

Frauenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft bieten eine anonyme Unterkunft, Schutz, Sicherheit und Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen. Dort gibt es auch Angebote für Kinder, die Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Bei pauschalfinanzierten Häusern zahlen die Bewohnerinnen Miete, die sie selbst bezahlen oder wenn sie Anspruch haben vom Jobcenter übernommen wird. Die ursprünglichen Konzeptionen von einer geplanten Aufenthaltsdauer von etwa drei bis vier Monaten werden vor allem in den Großstädten durch zu wenig bezahlbaren Wohnraum unterlaufen. Steigende Zahlen an gewaltbetroffenen Frauen und fehlender preiswerter Wohnraum führen zu vollen Frauenhäusern. Die Frauenhäuser leisten auch sog. ambulante Beratung für Frauen in Gewaltsituationen, die keine Wohnmöglichkeit benötigen.

In Bayern gibt es 371 staatliche geförderte Frauenhausplätze (Stand: 2021). Der Bedarf wurde bereits mit 496 Plätzen beziffert. Nach der Empfehlung der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt wird ein (Familien-)Platz pro 10.000 Einwohner*innen empfohlen.

Aktuell gibt es in Bayern 46 Einrichtungen, vgl. Karte der Frauenhauskoordinierung. (2)

Frauennotruf

sind spezialisierte Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen mit sexualisierten Gewalterfahrungen in allen Erscheinungsformen, wie Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung, usw. Die Beraterinnen in den Frauennotrufen bieten Krisenintervention, Beratung und Selbsthilfegruppe an, sowohl für Betroffene, für unterstützende Bezugspersonen, als auch für Fachkräfte. Das Angebot ist kostenlos und auf Wunsch anonym. Im Jahr 2021 wurden 5.145 Ratsuchende unterstützt.

Die Beratungsstellen haben sich in der Arbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe in Bayern zusammengeschlossen: http://www.fib-ak.de/

Interventionsstellen / proaktive Beratung

Die bisherigen Hilfeangebote setzen voraus, dass Frauen von sich aus aktiv werden und sich an Anlaufstellen wenden (sog. „Komm-Struktur“). Jahrelange Gewalterfahrungen haben die Frauen oft mut- und kraftlos werden lassen. Um auch diese Frauen zu erreichen, wurde der sogenannte proaktive Beratungsansatz geschaffen. Die seit 2011 installierten Interventionsstellen werden nach einem polizeilichen Einsatz bei häuslicher Gewalt tätig. Die Interventionsstellen werden von der Polizei über gewaltbetroffene Frauen informiert, sofern diese ihr Einverständnis hierzu erteilt haben. Die Beraterinnen setzen sich dann mit den Frauen in Verbindung und zeigen das Unterstützungsangebot auf. (sog. „Geh-Struktur“).

Die Interventionsstellen arbeiten mit den örtlichen Polizeiinspektionen (PI) – teilweise auch mit mehreren PIs – und den dort zuständigen Schwerpunktsachbearbeiter*innen Häusliche Gewalt zusammen.

Zur Finanzierung der Frauenhäuser

Die Finanzierung der Frauenhäuser wird in einem Gesamtkonzept für Frauenhäuser in den sog. Richtlinien geregelt. 1993 wurde vereinbart, welche Kommunen welche Frauenhäuser mitfinanzieren, da nicht jede Stadt oder Landkreis über ein eigenes Frauenhaus verfügt. Kommunen ohne ein Frauenhaus sind auch für die Unterbringung von schutzsuchenden Frauen zuständig, z. B. vorübergehend in Pensionen oder Hotels.

2016 ergab die vom Bayerischen Staatsministerium beauftragte Studie (3) zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder einen großen Ausbaubedarf. Ebenso sind die Kapazitäten für die Beratung deutlich zu gering bemessen. Im ländlichen Raum fehlen Angebote.

Die Richtlinien (4) für die Förderung von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen (Notrufe) und Interventionsstellen in Bayern wurden am 24. Februar 2022 wieder neugefasst. Die Richtlinien regeln die Finanzierung durch das Land Bayern und die Zuwendungsvoraussetzungen. Das Land Bayern gibt einen Personalkostenzuschuss, orientiert an der Anzahl der Plätze des Frauenhauses. Die Kommunen beteiligen sich ebenso an der Finanzierung.

In der aktuellen Debatte zur Finanzierung gibt es zwei Richtungen: Pauschalfinanzierung und Tagessatzfinanzierung. Die Frauenhäuser wünschen sich eine Pauschalfinanzierung, um allen Frauen einen Platz anbieten zu können. Bei der Tagessatzfinanzierung können in bestimmten Einzelfällen Frauen keinen Platz erhalten, weil sie keine Finanzierungszusage haben.

Welche Fragen und Aufgaben ergeben sich für Gemeinderät*innen, Stadträt*innen und Kreisrät*innen:

  • Welches Angebot finden gewaltbetroffene Frauen in eurer Kommune vor? Wo ist das nächste Frauenhaus, wo die nächsten Beratungsstellen?
  • Welches Frauenhaus finanziert eure Kommune mit, wenn es kein eigenes Frauenhaus in der Kommune gibt? Wie hoch ist der Anteil?
  • Wie ist die Auslastung des Frauenhauses, wieviel Frauen müssen abgewiesen und weitervermittelt werden?
  • Einmal im Jahr gibt die Polizei einen Sicherheitsbericht im Stadtrat. Wird dabei auch Häusliche Gewalt thematisiert?
  • Um die Zusammenarbeit aller Beteiligten zu verbessern, gibt es in einigen Kommunen einen sog. Runden Tisch Häusliche Gewalt. (8) Meist hat die Gleichstellungsstelle die Geschäftsführung inne.

Stichwort Öffentlichkeitsarbeit

Stellung beziehen gegen Gewalt an Frauen und das Hilfeangebot bekanntmachen ist nach wie vor wichtig. Auch wenn es sein Jahren das Hilfetelefon (5) gibt und Einrichtungen bereits seit 40 Jahren bestehen, ist Öffentlichkeitsarbeit eine Daueraufgabe.

Gibt es in eurer Kommune Aktionen zu One Billion Rising am14.02. (6) oder zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25.11. (7)

Macht mit und beteiligt euch!

Unser Ziel muss sein:

Gewaltbetroffene Frauen und ihre Kindern brauchen einen sicheren, schnellen, unbürokratischen und bedarfsgerechten Zugang zum Hilfesystem, um ein Leben ohne Gewalt führen zu können.

Quellen:

1. Schröttle, Monika / Müller, Ursula (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Erste große nationale Repräsentativstudie zu Gewalt gegen Frauen durch (BMFSFJ 2004)

2. https://www.frauenhauskoordinierung.de/hilfe-bei-gewalt/frauenhaus-und-fachberatungsstellensuche

3. Studie zur Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Bayern. 2016 – Lesenswert ist das Fazit, Seite 125 – 128 https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gewaltschutz/3.5.4_studie_zur_bedarfsermittlung_zum_hilfesystem_gewaltbetroffene_frauen.pdf

4. Richtlinien: https://www.verkuendung-bayern.de/files/baymbl/2022/164/baymbl-2022-164.pdf

5. https://www.hilfetelefon.de

6. http://www.onebillionrising.de/was-ist-one-billion-rising/

7. https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/aktionen/fahnenaktion

8. https://www.regensburg.de/rathaus/stadtpolitik/buergerbeteiligung/feste-austauschplattformen/runder-tisch-gegen-haeusliche-gewalt

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